Seit Mitte Oktober, Herr Vayloyan, verkehrt in Zürich ein Bitcoin-Suisse-Tram. Was versprechen Sie sich davon?Für viele Leute sind Kryptowährungen immer noch etwas eher Abenteuerliches. Sie sehen wenig Nutzen damit verbunden. Das wollen wir ändern. 120 Mitarbeiter haben Sie zurzeit. Was ist deren Hauptbeschäftigung?Unser Kerngeschäft ist der Kauf und Verkauf von Kryptowährungen, das sogenannte Brokerage. Zu unseren Kunden zählen Privatpersonen, Familiy Offices und institutionelle Anleger, aber auch Banken. Das zweite wichtige Standbein ist das sichere Speichern von Kryptowährungen. Wie kann man eine Währung, die nur in einem Netzwerk existiert, lokal speichern?Den Zugang zu einer Blockchain bildet eine elektronische Brieftasche, ein sogenanntes Wallet, mit den privaten Zugangsschlüsseln. Viele Menschen halten diesen ‚private key‘ auf ihrem Smartphone. Das ist bequem. Bei grösseren Vermögen aber zu riskant. In unseren militärisch gesicherten Datentresoren liegen die Schlüssel zu Kryptovermögen unserer Kunden im Gesamtwert von über einer Milliarde Franken. Bitcoin Suisse engagiert sich stark für das Schweizer Blockchain-Ökosystem. Wie wichtig ist für Sie der Markenname crypto valley?Die unterdessen etwas abgegriffene Bezeichnung steht eigentlich nur für Gegend rund um Zug. Denn es war die Stadt Zug, die zusammen mit Bitcoin Suisse das hiesige Ökosystem auf einen Schlag weltbekannt machte. Wie das?2016 starteten wir mit der Stadt Zug ein Projekt, das es Bürgern erlaubt, kommunale Gebühren mit Bitcoin zu entrichten. Die Geschichte ging durch die internationalen Medien. Für den Standort Zug war es willkommene Gratiswerbung und Bitcoin Suisse konnte sich als professioneller Anbieter von Zahlungslösungen positionieren. Brokerage, Storage und Zahlungsverkehr: Was hat das alles mit Loyalitätsprogrammen im Mittleren Osten zu tun?(lacht) Richtig, für unseren Grosskunden Emaar haben wir in Dubai ein Treueprogramm mit sogenannten Utility-Tokens aufgesetzt. Wer in der Emaar-Welt eine Wohnung kauft, profitiert auch beim Übernachten in deren Hotels und beim Einkaufen in den Shopping-Malls von Emaar. Das alles kryptobasiert oder eben tokenisiert. Sie arbeiteten 25 Jahre in der Finanzindustrie. Zuletzt bei der Zürcher Privatbank Falcon; exakt jene Bank, die als erste überhaupt direkte Bitcoin-Investments für ihre Kundschaft ins Produkteangebot aufnahm. Ein Zufall?Ich habe das Krypto-Geschäft bei Falcon angestossen und nach harter Evaluation Bitcoin Suisse ausgewählt. So lernte ich auch deren Gründer Niklas Nikolajsen und sein Team kennen. Top-Profis, die etwas vom Geschäft verstehen. Interessiert hat mich das Thema Kryptowährungen aber schon vorher; nicht zuletzt aus technischer Sicht, denn ich bin von Haus aus Naturwissenschaftler. Als Sie bei Bitcoin Suisse einstiegen, beschäftigte das Unternehmen erst 20 Mitarbeiter. Was haben Sie seither richtig gemacht?Niklas Nikolajsen ist für die Strategie zuständig, ich für die ordentliche Umsetzung. Diese Aufgabenteilung ist perfekt in einem Umfeld, das sich so dynamisch entwickelt wie die Blockchain-Technologie. Können Sie uns ein Beispiel für diese Dynamik nennen?Etwa die komplexe Umstellung von Ethereum, der weltweit zweitgrössten Blockchain, vom proof of work zum proof of stake. In der Research-Community werden dazu laufend neue Einsichten publiziert. Die muss man umsetzen. Denn es steht viel auf dem Spiel für die immer noch junge Blockchain-Technologie. Fehler kann man sich keine leisten. Welche Rolle könnte die von Facebook initiierte Libra-Währung künftig spielen?Der Libra ist eigentlich keine Kryptowährung. Trotzdem war es ein Paukenschlag, als er annonciert wurde. Er wurde auf allen Ebenen aufgeregt diskutiert. Seit einiger Zeit ist es allerdings merklich ruhiger geworden um das Thema. Mitte Jahr hat Bitcoin Suisse eine klassische Banklizenz beantragt. Warum?Weil die Finanzindustrie und die Blockchain seht gut zueinander passen. Was heute unmöglich scheint, kann schon morgen normal sein. Auch dem Internet wurde keine grosse Zukunft vorausgesagt. Und die digitale Fotografie wurde von Kodak komplett ignoriert, bis es zu spät war. Die Schweiz ist gut beraten, sich den Möglichkeiten der kryptobasierten Finanzdienstleistungen konstruktiv zuzuwenden. Ein Garant für unser kleines Land, sich auf der Weltbühne zu behaupten. Nicht als Selbstzweck, aber zum Wohle aller.Bild: ZVG