Unternehmertum keine Karriereoption für Schweizer

Obwohl sie die Rahmenbedingungen als günstig sehen und sich eine Unternehmensgründung durchaus zutrauen, wollen nur wenige Schweizer tatsächlich eine eigene Firma starten. Der Anteil von Frauen, die ein Unternehmen gründen wollen, ist sogar deutlich zurückgegangen. Dies sind zwei Resultate des neuesten Länderbericht Schweiz des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), der grössten internationalen Studie über das Unternehmertum.

Die Rahmenbedingen in der Schweiz werden im Allgemeinen positiv beurteilt, und die Bedingungen für die Gründung eines Unternehmens sind in der Schweiz besser als in vergleichbaren Länder. Dennoch haben sich in den vergangenen Jahren nur 8,2% der Schweizer ins unternehmerische Abenteuer gestürzt. Zwar ist dies ein leichter Anstieg (+ 0,9%) im Vergleich zu 2015, aber die Schweiz liegt immer noch unter dem Durchschnitt vergleichbarer innovationsbasierter Volkswirtschaften (9,1%), wie bspw. den Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien.

Unternehmertum ist keine attraktive Option: Im Jahr 2016 glaubten 43,3% der Schweizer, dass sie über genügend Erfahrung und Kompetenzen verfügen, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Aber nur für eine Minderheit kommt eine Unternehmensgründung als Option in Frage: 38,9% der Bevölkerung betrachtet sie als gute Karrierewahl, gegenüber 77,9% in den Niederlanden, 68,8% in Portugal, 65,5% der Kanadier, oder 64,2% der Israeli. Und nur 7,9% der Schweizer sind bereit, sich in den nächsten drei Jahren unternehmerisch zu betätigen und ein neues Unternehmen zu gründen. Die unternehmerische Karriere scheint in der Schweizer Bevölkerung weiterhin nicht die nötige positive Ausstrahlung zu besitzen.

Frauenanteil sinkt
Die Situationsanalyse aus der Geschlechterperspektive zeigt, dass Frauen heute weniger dazu bereit sind sich auf unternehmerische Art und Weise zu engagieren als vor etwa zehn Jahre. Von 22,9% im Jahr 2003 stieg die Quote auf fast 50% zwischen 2011 und 2014 - eine Zahl nahe Parität mit den Männern – fällt aber wieder auf 32,2% im Jahr 2016. Dies könnte damit gedeutet werden, dass die Finanzkrise 2008 Frauen gedrängt hat neue Unternehmen „aus Not“ zu gründen. Im Weiteren ist die Situation des Arbeitsmarkts in den letzten Jahren insgesamt besser geworden ist, und könnte deshalb ihre unternehmerischen Ambitionen geschmälert haben. Auch die Balance zwischen Arbeit und Familienleben erscheint als Faktor für diesen bedeutenden Rückgang wahrscheinlich.

Ballungsgebiete günstig für Unternehmensgründungen
Erstmals, und auf Initiative des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), wurden Analysen zu den sieben Grossregionen und den Raumtypen der Neuen Regionalpolitik NRP durchgeführt. Der GEM Bericht zeigt, dass unternehmerische Absichten und Aktivitäten von Schweizern in den Ballungsräumen und Städten deutlich stärker ausgeprägt sind als in den Randbereichen. In den ersten Regionen erkennt fast die Hälfte der Bevölkerung (47,3%) kommerzielle Geschäftsmöglichkeiten gegenüber nur einem Drittel der Bevölkerung für zweitgenannte Regionen. Insbesondere in Zürich, in der Genferseeregion und in den Kantonen im Osten der Schweiz ist die unternehmerische Aktivität 2016 am dynamischsten, vor allem in den Sektoren persönliche und professionelle Dienstleistungen (speziell im Bereich des Gesundheitswesens, Coachings, u.ä.), Handel, Gastronomie und der Informations-und Kommunikationstechnologie (ICT).

Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) ist die wichtigste und grösste internationale Studie zum Unternehmertum. Die Studie 2016 wird in 65 Ländern durchgeführt und analysiert die Einstellung der Bevölkerung zum Unternehmertum und die unternehmerischen Aktivitäten des Landes. Der Bericht für die Schweiz wurde von der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR) in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und der SUPSI Manno in der italienischen Schweiz verfasst. Mittels mehr als 3.500 Telefoninterviews (gegen 2000 in der vorherigen Umfrage) und 36 Experteninterviews wurden die unternehmerischen Einstellungen, Aktivitäten und Ambitionen ermittelt, sowie die Faktoren erhoben, die die Wahl der einzelnen Personen und den Stellenwert des Unternehmertums in unseren Volkswirtschaften erklären können. Die Volkswirtschaften werden in der GEM-Studie in drei Kategorien unterteilt: Schwellenländer, Transformationsländer und innovationsstarke Volkwirtschaften, darunter die Schweiz.

Download und mehr Informationen auf der Webseite der HSW Freiburg.

(SK)

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