«Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen vom steuerfreien Kapitalgewinn profitieren»

 

Die Swiss Entrepreneurs and Startup Association SWESA nimmt langsam Fahrt auf. Vor kurzem fand ein Treffen mit der Parlamentarischen Gruppe Startups zum Thema Mitarbeiterbeteiligungen statt. Wir haben uns mit Marc Maurer, COO bei On und Vorstandsmitglied bei SWESA, über das Thema, seine Erfahrungen und gute Nachrichten für Startups in dieser Sache unterhalten.

 

Herr Maurer, Mitarbeiterbeteiligungen gehören zu den politischen Dauerbrennern in der Startup-Szene. Warum eigentlich?

Da muss ich etwas ausholen. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die für im Privatvermögen gehaltene Vermögenswerte keine Kapitalertragssteuer kennt. Dadurch sind private Investoren aber auch Gründungsaktionäre aus Perspektive Einkommenssteuer in einer komfortablen Situation: Der Kapitalgewinn, den sie durch die Wertsteigerung eines Startups erzielen, ist im Grundsatz steuerfrei. Mitarbeiter, die Aktien im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Startup erwerben, können von dieser Steuerfreiheit nicht profitieren.

Warum nicht?

Aktien, die man Mitarbeitern abgibt, werden von der Steuerbehörde als Teil des Einkommens angesehen. Eine Möglichkeit ist, diese Aktien als Einkommen zu besteuern, wenn sie dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin zugeteilt werden. Dabei besteht die latente Gefahr, dass der Steuerwert potenzielle zukünftige Ertragsaussichten beinhaltet und somit relativ hoch ausfällt. Oft ist diese Steuerlast vom Mitarbeiter nicht tragbar, da sie das Basisgehalt übersteigt. Zudem ist es ein hypothetischer Wert der mit einem hohen Unsicherheitsfaktor belastet ist. Und nicht zuletzt ist ein Verkauf der Aktien, um diese Steuerschuld zu decken, zu einem frühen Zeitpunkt nicht möglich.

Gibt es noch eine weitere Möglichkeit?

Ja. Man besteuert die Aktien nicht beim Erhalt, sondern erst dann, wenn ein Mitarbeiter Aktien verkauft. Hier muss dann aber der volle Preis, den man beim Verkauf erzielt, als Einkommen versteuert werden. In diesem Fall resultiert eben gerade kein steuerfreier Kapitalgewinn. Zudem ist es weder im Interesse des Arbeitnehmers noch des Startups, dass Aktien verkauft werden müssen, da beide Parteien sich eine möglichst hohe Beteiligung wünschten.

Wie wichtig ist das Problem in der Praxis – konkret wie viele Mitarbeiter sind bei On am Unternehmen beteiligt?

On hat derzeit rund 600 Mitarbeiter und unser Ziel ist es, möglichst viele von ihnen auch am Unternehmen zu beteiligen. Jede und jeder soll sich als Mitunternehmer fühlen. Darüber hinaus stellen wir so eine langfristige Bindung an das Unternehmen sicher.

Wie ist die Reaktion auf dieses Angebot? Sind solche Beteiligungsprogramme heute gefragt?

Absolut. Hier hat sich in den vergangenen Jahren ein starker Kulturwandel ereignet. Startups gehören zu den gefragtesten Arbeitgebern. Als Arbeitnehmer und Arbeitnehrerin will ich mitgestalten und unmittelbaren Impact erzeugen. Dafür möchte ich aber auch direkt am Unternehmenserfolg partizipieren, zu dem ich beitrage. Übrigens fordern auch Investoren solche Programme regelmässig geradezu als Bedingung für ein Investment.

Wie aufwändig ist für ein Unternehmen wie On mit mehreren hundert Mitarbeitern, ein Beteiligungsprogramm zu gestalten und managen?

Es ist sehr komplex. Wir wären nicht in der Lage, dies intern zu managen. Wir nehmen sehr viel Unterstützung von Wirtschaftsanwälten und Steuerexperten in Anspruch.

Wie sieht nun die Lösung aus, die die SWESA vorgeschlagen hat?

Idealerweise möchten wir eine Kombination der bestehenden Ansätze bei der Besteuerung. Das heisst Aktien sollen beim Verkauf besteuert werden, aber zum Wert der damaligen Zuteilung. Dieser Aufschub ist bislang noch nicht in Aussicht gestellt worden und wäre ein wichtiges Entgegenkommen gegenüber der Startup-Gemeinschaft. Dies würde es Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unter bestimmten Bedingungen ermöglichen vom steuerfreien Kapitalgewinn zu profitieren. Der Kanton Zürich kennt bei gewissen Voraussetzungen bereits eine Praxis, wonach Mitarbeiteraktien, die mindestens fünf Jahre gehalten wurden, steuerfrei verkauft werden können. Eine ähnliche Praxis möchten wir für die ganze Schweiz realisieren. Weiter muss sichergestellt werden, dass die Besteuerung im Zeitpunkt der Abgabe der Aktien nicht an Finanzierungsrundenwerten festgemacht wird.

Sie haben diesen Ansatz und ihre Erfahrungen mit Mitarbeiterbeteiligungen an der zweiten Sitzung der Gruppe Startups und Unternehmertum vorgestellt. Wie viele Parlamentarier haben zugehört und wie waren die Reaktionen?

An der Sitzung nahmen rund zwölf National- und Ständeräte sowie der Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung, Adrian Hug, teil. Ich habe gemerkt, dass es hilft, wenn man aus eigener Erfahrung berichten kann. Die Parlamentarier sind offen für die Problematik und einige kannten sie sogar aus erster Hand, weil sie selber Unternehmen gegründet und geführt haben oder sogar immer noch tun.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Thema ist schon länger in der Diskussion. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben hat 2017 eine Motion zum Thema eingereicht, die angenommen wurde. Bereits im letzten Herbst hat deswegen eine Konsultation mit Startup-Vertretern stattgefunden. Auf dieser Basis wird nun ein Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung aktualisiert. Das Kreisschreiben enthält Vorgaben und Empfehlungen für die Kantone. Die Überarbeitung, die übrigens noch dieses Jahr abgeschlossen werden soll, geht in die richtige Richtung. Für uns ist einfach wichtig, dass die Vorschläge der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Anpassung des Kreisschreibens übernommen und verabschiedet werden und sich die Kantone dann auch an die Vorgaben halten.

Damit zeichnet sich bereits ein Teilerfolg ab. Trotzdem wird die SWESA einen langen Atem brauchen, um die Rahmenbedingungen nachhaltig zu verbessern. Warum engagieren Sie sich für den Verband? Als COO von On dürfte Ihnen auch ohne dies Engagement nicht langweilig werden.

Ich habe in der Tat gut zu tun. Unser Ziel mit der SWESA ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Startups ermöglichen, effizient und effektiv zu arbeiten. Startups sollen sich auf das operative Geschäft konzentrieren können und sich nicht mit administrativen Themen herumschlagen müssen. Hier helfen die Erfahrungen die nicht nur ich, sondern ganz viele Unternehmerinnen und Unternehmer gemacht haben. Es würde uns freuen, wenn möglichst viele Startups Teil von dieser Diskussion sind. Wir sind bei On sehr dankbar dafür, was wir in den letzten Jahren aufbauen konnten und erreicht haben. Ich sehe es als einen Teil meiner gesellschaftlichen Verantwortung diese Erfahrung weiterzugeben und zu positiven Rahmenbedingungen beizutragen. 

Wie viel Zeit investieren Sie persönlich in die SWESA?

Wir stehen natürlich noch ganz am Anfang und sind dabei Ziele und Prozesse zu definieren. So klar lässt sich die Frage noch nicht beantworten. Aber was wir sicher möchten, ist, weitere Personen aus Startups für die Arbeit zu begeistern.

Letzte Frage. Sie haben von den Rahmenbedingungen gesprochen. Auf einer Skala von Null bis Zehn: Wie gut sind Ihrer Meinung nach die Bedingungen für Startups in der Schweiz?

Ich würde eine Sieben geben.

 

 

Darum geht es

Die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen war das Thema der zweiten Sitzung der Parlamentarischen Gruppe Startups und Unternehmertum. Im Rahmen der Diskussion erläuterte Adrian Hug, Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) den Standpunkt der Verwaltung, während Marc Maurer, COO von On, die Herausforderungen für Startups im Umgang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen hervorhob. Um die geltende Praxis sowohl für Startups wie auch für deren Mitarbeitende zu verbessern, besteht primär in den folgenden Bereichen Optimierungspotenzial:

  • Besteuerung von Aktien auf der Basis von Finanzierungsrunden
    • Zwingt zu teuren Steuerrulings, je nach Kanton Nachbesteuerung beim Verkauf der Aktien
    • kantonale Ungleichheiten in der praktischen Handhabung fördern die Rechtsunsicherheit 
  • Mitarbeiter können im Vergleich mit Investoren steuerlichen Nachteilen unterworfen und teilweise gezwungen sein, Aktien zu verkaufen um die fälligen Steuern bezahlen zu können

Gestützt auf die Parlamentarische Initiative 17.456 sowie der Motion 17.3261 hat 2019 eine Konsultation mit Vertretern des Startup-Ökosystems stattgefunden. Aufgrund dieser Anhörung hat die ESTV Anpassungen auf Stufe Kreisschreiben Nr. 37 vorgeschlagen.

 

Es stellte sich heraus, dass das geplante Kreisschreiben die wichtigsten Punkte aufgreift. Grundsätzlich werden die Anpassungen sehr begrüsst (insbesondere die Übernahme des Zürcher Modells bzgl. der zeitlich beschränkten Nachbesteuerung) sowie die Klarstellungen zur steuerlichen Qualifikation von Mitarbeiteraktien. 

Die Swiss Entrepreneurs and Startup Association (SWESA) wird die Position der Startups bei der nächsten Anhörung der ESTV durch ihr Vorstandsmitglied Karim Maizar, Partner bei Kellerhals Carrard, präsentieren und einige Präzisierungen und Anpassungen vorschlagen. Verbandsmitglieder werden mit dem SWESA-Newsletter über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten.